Einsichtsrecht
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2021 - VIII ZR 66/20 - LG Memmingen,
AG Günzburg
a) Ein Mieter kann hinsichtlich der bei einer Betriebskostenabrechnung vom Vermieter geschuldeten Belegvorlage grundsätzlich Einsicht in die Originale der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung verlangen, ohne insoweit ein
besonderes Interesse darlegen zu müssen.
b) In Ausnahmefällen kann es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) allerdings in Betracht kommen, dass der Vermieter lediglich die Vorlage von Kopien oder Scanprodukten schuldet. Die Frage, ob ein solcher Ausnahmefall gegeben ist, entzieht sich allgemeiner Betrachtung und ist vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
Tatbestand:
- Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung der Klägerin in G. . Die
Klägerin hat die Zustimmung der Beklagten zu einer Anpassung der Miete an die
ortsübliche Vergleichsmiete begehrt, die Klage jedoch zurückgenommen. Mit der
Widerklage, die allein Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, verlangen die
Beklagten Einsicht in die den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2015
bis 2017 zugrundeliegenden Originalbelege. Die Klägerin hat den Beklagten
stattdessen Belegkopien übersandt.
- Die Widerklage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Widerklage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- Die Revision hat Erfolg.
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:
- Den Beklagten stehe ein Anspruch auf Einsicht in die Originale der Belege,
welche den Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2015 bis 2017 zugrunde
lägen, nicht zu. Der Anspruch sei bereits erfüllt durch die Übersendung von Kopien beziehungsweise Scan-Ausdrucken der betreffenden Unterlagen.
- Nach § 259 Abs. 1 BGB bestehe zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Vorlage von Belegen, soweit dem Rechenschaftspflichtigen Belege für seine Einnahmen und Ausgaben erteilt zu werden pflegten. § 259 Abs. 1 BGB spreche nicht
von Kopien, sondern von den erteilten Belegen, weshalb Einsicht in die Originalunterlagen geschuldet sei. Soweit die Klägerin behauptet habe, die Vorlage sei
unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), weil sie die Originale nach dem Einscannen vernichtet habe, habe sie Beweis hierfür nicht angeboten, so dass vom Vorhandensein der Originalbelege auszugehen sei.
- Allerdings bestehe nach einer teilweise im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung vertretenen Auffassung, der das Berufungsgericht folge, ein
Recht zur Einsichtnahme in die Originalbelege nur, wenn auf Seiten des Mieters
"konkrete Gründe" gegeben seien, sich mit Kopien nicht zufriedenzugeben beziehungsweise bei einem begründeten Verdacht von Manipulationen oder Unstimmigkeiten.
- Ein Anspruch der Beklagten auf Vorlage von Originalbelegen sei danach
im vorliegenden Fall nicht gegeben. Das rechtliche Interesse der Beklagten an
einer ordnungsgemäßen Rechnungslegung sei durch die ihnen übersandten Kopien bereits hinreichend gewahrt, zumal die Prüfungsmöglichkeit in der eigenen
Wohnung und nicht - wie bei Originalbelegen - beim Vermieter die Rechnungskontrolle wesentlich erleichtere.
- Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht angenommen, eine Verpflichtung der Klägerin, den Beklagten auf deren Verlangen gemäß § 259 Abs. 1
Halbs. 2, § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BGB nicht nur Einsicht in Kopien der den
Betriebskostenabrechnungen der Jahre 2015 bis 2017 zugrundeliegenden Belege, sondern in die Originalbelege zu gewähren, bestehe nicht. Denn eine solche Pflicht ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht von einem
besonderen Interesse der beklagten Mieter abhängig.
-
1. Eine vom Vermieter gemäß § 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BGB vorzunehmende Abrechnung dient dazu, die Betriebskosten des jeweiligen Abrechnungsjahrs zu erfassen, zusammenzustellen und unter Abzug der jeweils geleisteten Vorauszahlungen auf die einzelnen Mieter zu verteilen. Dazu muss die Abrechnung den allgemeinen Anforderungen des § 259 Abs. 1 Halbs. 1 BGB entsprechen, also eine aus sich heraus verständliche geordnete Zusammenstellung
der zu den umzulegenden Betriebskosten im Abrechnungsjahr getätigten Einnahmen und Ausgaben enthalten, um es dem Mieter zu ermöglichen, die zur
Verteilung anstehenden Kostenpositionen zu erkennen und den auf ihn entfallenden Anteil an diesen Kosten gedanklich und rechnerisch nachzuprüfen (st. Rspr.;
vgl. etwa Senatsurteile vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 189/17, NJW 2018, 1599
Rn. 15; vom 12. November 2014 - VIII ZR 112/14, NJW 2015, 406 Rn. 11; vom
9. Oktober 2013 - VIII ZR 22/13, NJW-RR 2014, 76 Rn. 13; jeweils mwN).
- Dementsprechend gehört es zu einer ordnungsgemäßen Abrechnung des
Vermieters, dass er im Anschluss an die Mitteilung der die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben enthaltenden Rechnung dem Mieter
auf dessen Verlangen gemäß § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB die Einsichtnahme in
die Abrechnungsunterlagen durch deren Vorlage ermöglicht, soweit dies etwa zur
sachgerechten Überprüfung der Nebenkostenabrechnung oder zur Vorbereitung
etwaiger Einwendungen erforderlich ist (vgl. Senatsurteile vom 7. Februar 2018
- VIII ZR 189/17, aaO Rn. 16; vom 20. Januar 2016 - VIII ZR 93/15, NJW 2016,
866 Rn. 18; vom 3. Juli 2013 - VIII ZR 322/12, NJW 2013, 3234 Rn. 9; jeweils
mwN).
- 2. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht dabei angenommen, dass sich das Einsichtsrecht des Mieters grundsätzlich auf die Originalbelege bezieht.
- a) Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB.
Danach hat der Rechenschaftspflichtige Belege vorzulegen, soweit sie erteilt
worden sind. Anhand dieser Formulierung wird deutlich, dass der Rechenschaftspflichtige diejenigen Belege vorzulegen hat, die ihm selbst erteilt worden sind,
mithin die Originale, während vom Rechenschaftspflichtigen gefertigte Kopien
grundsätzlich nicht ausreichend sind. Zwar sind Originalbelege - was hier nicht in
Streit steht - unter Umständen nicht nur solche in Papierform; es kann sich auch
um Belege handeln, die dem Vermieter von seinen Dienstleistern ausschließlich
in digitaler Form übermittelt worden sind (vgl. Wall, Betriebs- und Heizkostenkommentar, 5. Aufl., Rn. 2149. Vom Vermieter gefertigte Kopien sind jedoch
Originalbelegen grundsätzlich nicht gleichzustellen. Dies wird auch anhand der
Bestimmung des § 29 Abs. 2 Satz 1 NMV 1970 deutlich, welche - jedenfalls für
preisgebundene Wohnraummietverhältnisse - ausdrücklich zwischen den "Berechnungsunterlagen", in die Einsicht zu gewähren ist, und "Ablichtungen davon"
differenziert.
- b) Aus dem Normzweck des § 259 Abs. 1 BGB ergibt sich ebenfalls, dass
sich die Vorlagepflicht auf die Originalbelege bezieht. Die Rechenschafts- und
Vorlagepflicht ist dazu bestimmt, dem Interesse des Gläubigers an einer umfassenden und übersichtlichen Information Rechnung zu tragen. Er soll in den Stand
versetzt werden, die Ordnungsgemäßheit der Verwaltung, über die Rechenschaft
abzulegen ist, zu überprüfen und - bei Missständen - Ansprüche geltend machen
zu können (MünchKommBGB/Krüger, 8. Aufl., § 259 Rn. 1). Zur Überprüfung der
Ordnungsgemäßheit der Verwaltung, über die Rechenschaft abzulegen ist, sind
indes in erster Linie Originalunterlagen uneingeschränkt geeignet, selbst wenn
diese vielfach durch Kopien ersetzbar sein mögen.
- c) Demgemäß entspricht es durchgängiger Auffassung in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum, dass der Mieter grundsätzlich Einsicht in die
einer Betriebskostenabrechnung zugrundeliegende Originalunterlagen nehmen
darf (vgl. LG Hamburg, ZMR 2020, 957; LG Kempten ZMR 2017, 248;
LG Freiburg, NJW-RR 2011, 1096, 1097; LG Berlin, Urteil vom 1. März 2011
- 65 S 4/10, juris Rn. 7; OLG Düsseldorf ZMR 2001, 882, 886; Wall, aaO
Rn. 2141, 2149, 2149b; Schmid/Harsch, Handbuch der Mietnebenkosten,
16. Aufl., Rn. 3653; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, Mietrecht, 15. Aufl.,
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§ 556 BGB Rn. 511; Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht,
9. Aufl., H Rn. 284: Staudinger/Artz, BGB, Neubearb. 2021, § 556 Rn. 112;
Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 81. Aufl., § 535 Rn. 97).
- d) Von den vorbezeichneten Grundsätzen geht bereits das Senatsurteil
vom 8. März 2006 aus, welches ebenfalls zwischen den der Abrechnung zugrundeliegenden Belegen und deren Ablichtungen unterscheidet (VIII ZR 78/05,
NJW 2006, 1419 Rn. 24). Diese Entscheidung betraf die umgekehrte Fallgestaltung, in der der Mieter - anders als hier - die Überlassung von Fotokopien der
Abrechnungsbelege begehrte. Einen solchen Anspruch sieht das Gesetz - wie
der Senat in dem vorgenannten Urteil entschieden hat - für den Bereich preisfreien Wohnraums grundsätzlich nicht vor (Senatsurteil vom 8. März 2006
- VIII ZR 78/05, aaO Rn. 22). Zur Begründung hat der Senat unter anderem ausgeführt, dem Interesse des Mieters an einer Überprüfung der Abrechnung werde
im Regelfall dadurch Rechnung getragen, dass er vom Vermieter Einsicht in die
der Abrechnung zugrundeliegenden Belege verlangen kann (Senatsurteil vom
8. März 2006 - VIII ZR 78/05, aaO Rn. 24; siehe auch Senatsurteile vom 13. September 2006 - VIII ZR 71/06, NZM 2006, 926 Rn. 7; VIII ZR 105/06, WuM 2006,
616 Rn. 6; vom 25. Oktober 2006 - VIII ZR 102/06, NJW 2007, 428 Rn. 10). Nur
ausnahmsweise kommt nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
ein Anspruch des Mieters auf Übermittlung von Kopien von Rechnungsbelegen
in Betracht, wenn ihm die Einsichtnahme in den Räumen des Vermieters nicht
zugemutet werden kann (Senatsurteile vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, aaO
Rn. 25; vom 13. September 2006 - VIII ZR 71/06, aaO; Beschlüsse vom 19. Januar 2010 - VIII ZR 83/09, WuM 2010, 296 Rn. 2; vom 13. April 2010 - VIII ZR
80/09, NJW 2010, 2288 Rn. 2). Diese Rechtsprechung geht ersichtlich davon
aus, dass der Vermieter dem Mieter auf dessen Verlangen grundsätzlich Einsicht
in die Originalbelege der Betriebskostenabrechnung schuldet.
- 3. Das Einsichtsrecht in die Originalbelege hängt - was das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend, wenn auch unausgesprochen zugrundegelegt hat - nach dem Wortlaut des § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB, wonach Belege vorzulegen sind, "soweit sie erteilt zu werden pflegen", auch nicht davon ab, ob dies im Rahmen der geschuldeten Rechnungslegung - hier im Wohnraummietverhältnis - üblich ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Erteilung von Belegen bei demjenigen Vorgang üblich ist, den der Beleg dokumentieren soll (vgl. BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 85/14, juris Rn. 62 ff.; Staudinger/Bittner/Kolbe, BGB, Neubearb. 2019, § 259 Rn. 26). Es kommt daher auf das Verhältnis des Vermieters zu seinem Dienstleister an, nicht hingegen auf etwaige Gepflogenheiten von (Groß-)Vermietern gegenüber ihren Mietern (so aber Hartmann, WuM 2019, 418, 426; Lützenkirchen, NZM 2018, 266, 268).
- 4. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht den Beklagten die Einsicht
in die Originalbelege allerdings mit der Begründung versagt, dass sie ein besonderes Interesse daran nicht dargetan hätten. Ein solches Erfordernis findet weder
in der Vorschrift des § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB noch in der Rechtsprechung des
Senats eine Stütze.
- a) Der Senat hat wiederholt ausgesprochen, dass ein Mieter, der einen
Anspruch auf Rechnungslegung und Einsicht in Abrechnungsunterlagen gemäß
§ 556 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1, § 259 Abs. 1 Halbs. 1 und 2 BGB geltend macht,
hierfür ein besonderes Interesse nicht darzulegen hat. Es genügt vielmehr das
allgemeine Interesse des Mieters, die Tätigkeit des abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren (Senatsurteile vom 7. Februar 2018 - VIII ZR 189/17,
NJW 2018, 1599 Rn. 18 [zu Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer des Mietobjekts]; vom 9. Dezember 2020 - VIII ZR 118/19, NJW 2021, 693 Rn. 13 [zu den
Zahlungsbelegen des Vermieters]; vom 27. Oktober 2021 - VIII ZR 102/21, juris
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Rn. 17, und VIII ZR 114/21, juris Rn. 16; vgl. auch BGH, Urteile vom 8. Februar 2007 - III ZR 148/06, NJW 2007, 1528 Rn. 6; vom 3. November 2011 - III ZR
105/11, NJW 2012, 58 Rn. 12 f.; insoweit jeweils zu § 666 BGB).
- b) Daraus ergibt sich unmittelbar, dass es der Darlegung eines besonderen Interesses des Mieters im Hinblick auf die von den Beklagten begehrte Einsicht in die Originalunterlagen nach § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB nicht bedarf. Entgegen einer zum Teil vertretenen Ansicht, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, muss ein Mieter, dem - wie hier - ohne sein Einverständnis lediglich Belegkopien zugänglich gemacht werden, demgemäß keinen begründeten
Verdacht aufzeigen, die Kopien seien manipuliert oder wiesen Unstimmigkeiten
auf (so aber Erman/Lützenkirchen, BGB, 16. Aufl., § 556 Rn. 245; unklar LG Hannover, WuM 1985, 346 [für den Fall der Einsichtnahme am Wohnort des Mieters]).
- aa) Die Sichtweise des Berufungsgerichts lässt sich mit vermeintlichen
Besonderheiten der beiderseitigen Interessenlage nicht begründen. Insoweit hat
das Berufungsgericht einerseits eine erhöhte Mühewaltung der Klägerin bei der
Verpflichtung zur Einsichtgewährung in ihren Geschäftsräumen und andererseits
die Annehmlichkeiten der Beklagten bei der Einsichtsmöglichkeit in ihnen
übersandte Kopien für maßgeblich erachtet. Diese Einschätzung ist weder
sachgerecht noch geeignet, eine einschränkende Auslegung des Belegeinsichtsrechts gemäß § 259 Abs. 1 Halbs. 2 BGB zu begründen. Ein - dem Wunsch
des Vermieters, die Organisation einer Einsichtnahme in seinen (Geschäfts-)
Räumen zu vermeiden, vorgehendes - berechtigtes Interesse des Mieters an der
Einsichtnahme in die Belegoriginale der Betriebskostenabrechnung bedarf keiner
besonderen Begründung, sondern ist typischerweise gegeben.
- So hat der Senat für den umgekehrten Fall, in dem der Vermieter den Mieter auf Einsicht in die Originalbelege verweisen wollte, der Mieter hingegen die
Übersendung von Kopien begehrte, entschieden, der Vermieter habe ein berechtigtes Interesse daran, den Mieter auf die Einsichtnahme in die der Betriebskostenabrechnung zugrundeliegenden Originalbelege zu verweisen, um den durch
die Anfertigung von Fotokopien entstehenden zusätzlichen Aufwand zu vermeiden und dem Mieter mögliche Unklarheiten im Gespräch sofort erläutern zu können. Denn hierdurch kann Fehlverständnissen der Abrechnung und zeitlichen
Verzögerungen durch ein Verlangen des Mieters nach Übersendung weiterer Kopien von Rechnungsbelegen vorgebeugt werden (Senatsurteil vom 8. März 2006
- VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419 Rn. 24).
- Diese Erwägungen gelten gleichermaßen für den hier vorliegenden Fall, dass der Mieter das Angebot auf Übersendung von Kopien nicht annehmen will, sondern auf die Einsicht in Originalunterlagen besteht. Zwar mag die Überlassung von Fotokopien oder Scanprodukten im Einzelfall den Interessen des Vermieters entgegenkommen. Das Interesse des Mieters an der Einsicht in Originalbelege bedarf jedoch keiner zusätzlichen Begründung. Auch hier gilt, dass dadurch Fehlverständnisse der Abrechnung und zeitliche Verzögerungen infolge eines etwaigen Verlangens nach weiteren Erläuterungen vermieden werden können, was - objektiv betrachtet - auch im Interesse des Vermieters liegt.
- bb) In Anbetracht dessen ist die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts
rechtsfehlerhaft, dem Einsichtsbegehren der Beklagten stehe auch das Schikaneverbot (§ 226 BGB) entgegen. Davon wäre nur dann auszugehen, wenn die
Geltendmachung des Einsichtsrechts keinen anderen Zweck als die Schädigung
der Klägerin haben könnte, wenn der Rechtsausübung ein schutzwürdiges Eigeninteresse der Beklagten nicht zugrunde läge oder wenn das Einsichtsrecht
nur geltend gemacht würde, um ein anderes, vertragsfremdes oder unlauteres Ziel zu erreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2007 - II ZR 95/06, NJW-RR
2007, 1676 Rn. 9 mwN). Das Berufungsgericht hat zwar angenommen, das Einsichtsbegehren der Beklagten könne keinen anderen Zweck haben, als der Klägerin Schaden zuzufügen. Dahingehende tragfähige Feststellungen hat das Berufungsgericht jedoch nicht getroffen. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung unterfällt die vom Berufungsgerichts vorgenommene Bewertung daher
schon mangels hinreichender Tatsachengrundlage nicht dem vom Revisionsgericht zu respektierenden tatrichterlichen Beurteilungsspielraum (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2019 - VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 26; vom 28. April 2021 - VIII ZR 6/19, NJW-RR 2021, 1312 Rn. 24; vgl. auch BGH, Beschluss
vom 9. Juli 2007 - II ZR 95/06, aaO).
- c) Ebenso wie nach der Rechtsprechung des Senats gemäß den
Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausnahmsweise ein Anspruch
des Mieters auf Überlassung von Fotokopien von Rechnungsbelegen bestehen
kann (vgl. Senatsurteil vom 8. März 2006 - VIII ZR 78/05, NJW 2006, 1419
Rn. 25), wird es allerdings nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter
Umständen gleichermaßen in Betracht kommen, dass sich der regelmäßig auf
Einsicht in die Belegoriginale gerichtete Anspruch des Mieters auf die
Zurverfügungstellung von Kopien oder Scanprodukten beschränkt. Die sich einer
allgemeinen Betrachtung entziehende Frage, ob ein solcher Fall ausnahmsweise
anzunehmen ist, hat der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des
Einzelfalls zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2021 - VIII ZR
102/21, juris Rn. 56). Voraussetzung ist nach dem Rechtsgedanken des § 126b
Satz 2 Nr. 2 BGB dabei allerdings stets, dass die vom Vermieter zur Verfügung
gestellten Kopien geeignet sind, die dokumentierten Erklärungen unverändert
wiederzugeben. Dabei gehen Zweifel an der Authentizität und Unverfälschtheit
zu Lasten des Vermieters.
- Ein Ausnahmefall, in dem der Vermieter nicht Einsichtnahme in die
Originalbelege schuldet, kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn der
Vermieter seinerseits von seinem Dienstleister entsprechende Belege nur in
digitaler Form erhalten hat. Darüber hinaus kann aufgrund besonderer, vom
Tatrichter zu würdigender Umstände des Einzelfalls anzunehmen sein, dass dem
Vermieter ausnahmsweise nicht zugemutet werden kann, dem Mieter Einsicht in
vorhandene Originalunterlagen zu gewähren. Dahingehende Feststellungen hat
das Berufungsgericht im Streitfall jedoch nicht getroffen; übergangenen
Sachvortrag zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.
- d) Der Anspruch auf Einsicht in die Originalbelege ist hier auch nicht
deshalb auf Kopien beschränkt, weil die Originalbelege nicht mehr existierten.
Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung insoweit geltend, die Vorlage der
Originalbelege sei unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), weil unstreitig gewesen sei,
dass die Klägerin diese vernichtet habe. Das Berufungsgericht hat vielmehr
ausdrücklich festgestellt, dass vom Vorhandensein der Originalbelege auszugehen sei. Nach seinen Feststellungen hat die Klägerin zwar erstinstanzlich
eine Vernichtung der Originalbelege behauptet, hierfür Beweis jedoch nicht
angetreten. Gegen diese Feststellungen (solche können auch in den
Entscheidungsgründen enthalten sein, vgl. etwa Senatsurteil vom 20. Februar
2019 - VIII ZR 7/18, BGHZ 221, 145 Rn. 49 mwN) wendet sich die Revisionserwiderung ohne Erfolg. Ihre darauf bezogene Rüge, die Vernichtung der
Originalunterlagen sei - was das Berufungsgericht übersehen habe - erstinstanzlich unstreitig gewesen, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die
Klägerin die dahingehenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht im
Wege eines Tatbestandsberichtigungsantrags (§ 320 ZPO) angegriffen hat.
- Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat entscheidet in der Sache selbst, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auf das Rechtsmittel der Beklagten ist das Berufungsurteil daher aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.